Die falschen Fragen zur richtigen Zeit

20 Jahre Mauerfall und nicht nur ein desaströsen, menschenunwürdiges Bollwerk eines Unrechtsstaates wurde zerstört, nein auch der letzte Keim eines praktikablen und vorzeigbaren Sozialismus wurde vor 20 Jahren erstickt.

Dabei waren wir doch ganz knapp davor!

Die Grenzen waren wieder offen und viele DDR-Bürgerinnen und Bürger nahmen die Chance wahr, endlich mal den Westen live und in Farbe zu sehen. „Waren nur mal kurz kieken, aber is och nich sooo doll“ waren oft gehörte Antworten von Rückkehrern, die nachts wieder nach Ostberlin zurückkehrten. Einige blieben gar zu Hause, weil sie ihren Augen und Ohren gar nicht trauen wollten und alles für einen Hoax hielten.

Schnell trübte sich das Bild ein weiteres Mal. Die DDR-Mark wurde in West Berlin nicht akzeptiert und die stolzen Ossis, die nun endlich rüber durften, wollten doch auch ein Mitbringsel für daheim heiben. Ein Wechselgeschäft in den Wechselstuben der DDR war leider jedoch noch nicht sicher gestellt, wie auch bei den (doch etwas) überstürzelnden Ereignissen damals im November. Lothar und seine Genossinnen und Genossen aus der großen Koalition der neu gewählten DDR Volkskammer waren auch nicht wirklich auf Zack. Für sie schien nur der Zeitfaktor, wie schnell Deutschlad wiedervereinigt werden könne, im Vordergrung zu stehen.

Zum Glück hatten wir ja uns Helmut und er wäre nicht Helmut Kohl, wenn er uns nicht schnell und unkompliziert aus der Patsche geholfen hätte. Zusammen mit Lothar, Michael und George war schnell ein Plan ausgehandelt. Die kleine DDR würde der BRD „beigefügt“ werden. Das daraus enstehende „Deutschland“ würde volles EG und NATO Mitglied werden. Berlin solle die Hauptstadt sein.

Nun galt es nur noch, die 40 Jahre DDR, Sozialismus und Unrechts- oder auch Überwachungsstaat aus den Köpfen der vielen fleißigen Ossis zu verbannen. Die Gehirnwäsche bestand im Wesentlichen darin, die Ossis an den Konsum und den Neid heranzuführen. Mit Sattellitenfernsehen und teuren Autos wurden schnell viele Begierden geweckt. Wem die 100 DM Begrüßungsgeld nicht reichten, für den waren Kredite und Pfandleihen auf einmal kein Problem mehr. Jeder hatte die schöne bunte Welt schnell bei sich zu Hause. OMs und IMs wurden schnell zum bösen Inbegriff für 40 Jahre Plan- und Misswirtschaft. Die 40 Millionen Mark Schulden, die sich in den 40 Jahren angesammelt hatten, waren dann nur noch das I-Tüpfelchen.

Schnell hatten viele Ossis die DDR bereits aus Ihren Köpfen verbannt. Wurden sie dennoch von Bekannten, Verwandten, Fremden nach der DDR befragt, erzählten sie Geschichten vom Sandmännchen und Plumps, sowie SERO, ATA und Ikarus.

Das wiederum sei jedoch auch nicht richtig, warnt die Kanzlerin. Schließlich werde so das Bild der DDR verzerrt und Menschen, die diese nicht miterlebt hatten, gewännen einen falschen Eindruck. StaSi, Schießbefehl und Freiheitsberaubung seien das wahre Gesicht dieses Schreckgespenstes namens Sozialismus.

Doch wozu ist es gut, dass wir Ossis immer wieder an die vielen negativen Seiten der DDR erinnert und mit der Nase sprichwörtlich reingestoßen werden?

Wozu ist es gut, dass der Sozialismus immer wieder aufs Neue und immer wieder von den selben Leuten an den Pranger geredet wird?

Wozu ist es gut, dass sich keiner darüber Gedanken macht, wie ein Sozialismus funktionieren könnte?

Wozu ist es gut, dass wir uns den Kapitalismus weiterhin schöner reden, als er eigentlich ist?

Und warum dürfen wir nicht ungetrübt auf die guten Zeiten zurückschauen und ein bisschen davon hier mit einbauen?